Spezialwagen für Steine

Für die Aufgabe, die benötigten Mengen Kalksteine über eine Entfernung von fast 70 km kostengünstig befördern zu können, wurde in den 50er Jahren eine Lösung in Form eines neuen Güterwagens gesucht.

Omi Vorbild

Bis Anfang der 1950er Jahre wurde der gebrochene Kalk im Steinbruch in Schmalspur-Kipploren geladen und über eine Rampe in offene Eisenbahnwagen der Gattungen O und Om gekippt. Wegen der hohen Fallhöhe waren die Holzböden dieser Wagen einem starken Verschleiß ausgesetzt.

In den Zementwerken wurden die Wagen von Hand – es handelte sich um Steine bis zu 60 Kg Stückgewicht – in Schmalspurloren in mühevoller Arbeit umgeladen. Die Loren wurden dann zum Brecher innerhalb des Werkes gebracht, der das Gut auf eine brennbare Größe zerkleinerte.

Die Aufgabe bestand also darin, das Gut mit geringstem Arbeits- und Zeitaufwand in Behältnissen von etwa 4 t Fassung zu transportieren. Weiterhin sollte die Ausladung fortschrittlich gestaltet werde.

Folgende Lösungen wurden untersucht:

1. Behälter, die im Bruch beladen und auf Eisenbahnwagen gesetzt werden und in den Zementwerken auf Schmalspurfahrgestelle umgesetzt werden.

2. Schmalspurzug, der auf Plattformwagen auffährt; so wird der Gesamte Lorenzug von den Brüchen bis zu den Verbrauchsorten transportiert.

3. Kippbehälter, die mittels Hebelsystem weit seitwärts aus dem Profil herausgebracht werden, um über Schmalspurloren entladen zu werden.

4. Kippmulden, die auf einer Bahn  abrollen und somit die Mulde in gekipptem Zustand bis über die Lore bringen.

Die WLE hatte in Zusammenarbeit mit der Firma Orenstein & Koppel in Dortmund die letzte Lösung gewählt. Ein erster Wagen wurde 1950 auf dem Fahrgestell des eigenen Om 5262 mit von O&K gelieferten Mulden aufgebaut, getestet und den Kunden vorgestellt.

Testentladungen bei Elsa in Kalköfen, 28. Juli 1950 (Foto: Archiv WLE)

Testentladung bei Germania in Kalköfen, 28. Juli 1950 (Foto: Archiv WLE)

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Testentladung von Sand in Münster Ost, 24. August 1950 (Foto: Archiv WLE).

Folgende Ergebnisse brachte die Lösung Kippmuldenwagen:

1. Keine Änderungen im Steinbruch. Der Inhalt der Loren wird von oben in die einzelnen Mulden gekippt. Die Fallhöhe ist verringert, wodurch eine Schonung des Wagens und des Ladeguts erreicht wird.

2. Der Eisenbahnwagen ist so aufgeteilt, daß die einzelnen Teile dem Inhalt des Fahrzeugs, in das umgeladen wird, entsprechen.

3. Keine Änderung im Zementwerk. Wenn bisher die Om – Wagen eine volle Entladefrist auf den Zementwerken standen und laufend mehrere Arbeiterkolonnen die Wagen von Hand umluden, wurde für das Umfüllen der Kippmulden in danebenstehende Schmalspurwagen so wenig Zeit benötigt, daß die Zubringerlok warten und die Wagen sofort wieder leer zurücknehmen konnte. Das gesamte Ladegeschäft konnte von einem Mann besorgt werden.

Die Einführung dieser neuen Wagen war geradezu sensationell und eine Neuheit im Güterverkehr der Eisenbahn. Die neuen Wagen wurden in der Fachpresse einer ausführlichen Würdigung unterzogen. Auch die Staatsbahn war von dieser Entwicklung überzeugt, so das für die DB mit den Jahren über 3500 Wagen beschafft wurden.

Nach einigen Änderungen, z. Bsp. bei der Bahn, auf der die Mulden abrollten, wurden mehrere Lose auch für die WLE beschafft.

(Archiv WLE)

1950 – Testwagen 5801 ex Om Wagen

1951 – 5802 bis 5830 ex Om Wagen der WLE und DB

1952 – 5831 bis 5842 ex gebrauchte Om der DB

1953 – 5845 bis 5866 neue Untergestelle

Es wurde auch ein Wagen mit größeren Mulden beschafft für Güter mit geringerem spez. Gewicht. Dieser Wagen 5901 wurde für Dienstkohle im Bahnhof Münster Ost eingesetzt. Er wurde 1958 in den 5880 umgebaut durch entfernen der Klappen.

Diese größeren Mulden dienten der DB als Vorlage für ihre Beschaffung.

Dezember 1950 (Foto: Archiv WLE)

Trotz der guten Erfahrungen, die bei der WLE mit den Muldenkippern gemacht wurden, dürfen auch die betrieblichen Mängel nicht übersehen werden. Durch das rauhe Be- und Entladen mit Kalksteinen in beachtlicher Stückgröße gab es schon nach kurzer Zeit kaum noch einen Wagen, bei dem die Mulden nicht verzogen waren. Erschwerte Entladung durch das Ausspringen der Mulden aus den Führungen brachten erhebliche Zeitverluste. Ein erhöhter Unterhaltungsaufwand war die Folge. Im Winter kam es vor, daß das Ladegut auf der Fahrt von Warstein nach Neubeckum in der Mulde festfrohr und mit voller Wucht ausschwenkende Mulden den ganzen Wagen umrissen. Hinzu kam, daß das Ladegewicht von 20,0 t nach Umstellung der Strecken auf eine erhöhte Achslast als zu gering angesehen wurde.

Bis zum Jahre 1964 war der Bestand auf 57 Wagen zurückgegangen, sei es infolge von Unfällen oder durch Verwendung von Untergestellen für den Neuaufbau von Fd60 (she. unten). 1972 entfiel das Umladen der Kalksteine in Neubeckum Übf, der letzte Einsatz für die Omi. Bis 1973 war der Bestand an Muldenkippern auf 38 Einheiten geschrumpft. Die letzten 17 Wagen standen bis 1978 in Beckum auf dem Abstellgleis und wurden dann verschrottet.

Ein vom Betriebsdienst gezeicheter Omi in Warstein, Oktober 1972 (Foto: Klaus Gerke, Sammlung CvN)

Omi Modell

Im Jahr 2021 wurde auf das Betreiben von Michael eine 3D gedruckte Mulde in der richtigen Form erstellt und vom Wagenwerk auf den Markt gebracht. Bitte hierzu den Link unter Produkte beachten. Der Aufbau erfolgt auf Fahrwerken der Fa. Roco. Michael baute für die Westlippische Eisenbahn 22 Wagen!

Der Prototyp, 2021 (Modellbau: Michael L.)

Fd60 Vorbild

Nach ersten Erfolgen und zunehmender Transportmenge ging der Zuspruch der Zementwerke, auch aufgrund von Preisangeboten der LKW – Spediteure, wieder zurück. So wurde 1960 die neue Wagengattung Fd60 für den Steintransport entwickelt und eingeführt.

Der dritte seiner Art, Fd60 5903, Hauptwerkstatt Lippstadt, 1960 (Foto: Archiv WLE)

Auch dieser Wagentyp ist durch die WLE entwickelt worden. Für den Bau fanden ein Teil der noch brauchbaren Untergestelle der Muldenkippwagen Verwendung, aber auch solche von Om-Wagen, die altbrauchbar von der Köln – Frechen – Benzelrather Eisenbahn (KFBE) gekauft wurden. Alle Fahrgestelle mußten noch verstärkt werden, um das auf 25,0 t erhöhte Ladegewicht aufnehmen zu können. Der Entladevorgang war bei diesen Wagen weniger störanfällig und in zwei bis drei Minuten pro Wagen erledigt. Allerdings war das Kippen nicht mehr durch Muskelkraft möglich, es wird eine Krananlage benötigt um die großen Flachbodenmulden einseitig anzuheben, was aber bei einer kleinen Anzahl von Entladestellen nicht die Kosten erhöht. Die Gefahr des Festfrierens des Ladeguts konnte auch bei diesen Wagen nicht ganz beseitigt werden.

(Archiv WLE)

1960/61 –  5901 bis 5930 ex Om der KFBE

1962 – 5931 bis 5954 aufgearbeitete Untergestelle, Umbau in Hw

1963 bis 1982 – 5955 bis 5969 Umbau einzelner Omi

1965 – 5970 bis 5979 neue Wagen von O&K

1981 – 5980 bis 5984 Umbau auf gebrachten Untergestellen

Im Laufe der Jahre sind verschiedene technischen Verbesserungen an den Wagen vorgenommen worden. So wurden die alten Gleit- gegen Rollenlager ausgetauscht und die Puffer verstärkt. Die verschiedenen Bremsbauarten sind durch die KE-Bremse ersetzt worden. Der ursprünglich silberfarbene Anstrich der Mulden wurde zuerst durch einen in hellgrauer Farbe ersetzt. Um die bei der Beladung mit zerkleinertem Material entstehenden Schüttkegel auf den Wagen aufzufangen und damit das Ladevolumen zu optimieren, wurden alle Fd – Wagen mit einem zusätzlichen kleinen Blech auf den Seitenklappen versehen.

Fd 5957 in Kalköfen, 13. Juli 1967 (Foto: Sammlung Krause)

In den letzten Jahren des Einsatzes wurde die neue Farbe für Rollmaterial das leuchtende und auffällige Phönix Rot eingesetzt. Der alte WLE-Schriftzug und das Wappen mit dem Westfalen-Roß wurden durch die neuen Insignien ersetzt. Bei einem Teil der Wagen sind die Mulden mit Anschriften versehen, die auf die Eisenbahn als umweltfreundliches und energiesparendes Verkehrsmittel hinweisen.

Nach Inbetriebnahme der 3. Generation Steinwagen im Jahr 1988 wurden bis auf 16 Wagen für Reservezwecke alle weiteren Fd60 in einer großen Aktion in der Hauptwerkstatt verschrottet.

Fd74 Vorbild

Ebenfalls zu der Generation der Flachbodenkipper gehören die drei Wagen dieser Gattung. Im Jahr 1974 wurden durch die Fa. Brüninghaus, Westhofen drei Fahrgestelle nach modernsten Gesichtspunkten gebaut. Auf diese Fahrgestelle wurden noch vorhandene Mulden der Fd60 gesetzt. Diese Entwicklung konnte die Umstellung auf neue, 4-achsige Selbstentladewagen nicht aufhalten. Die Wagen wurden bis 1988 im normalen Steinverkehr eingesetzt, dann aber verschrottet.

(Archiv WLE)

Fd Modell

Im Jahr 1996 hatte ich den Plan für mein Modul Hillenberg auch Fd Wagen zur Beladung einsetzen zu wollen. Es wurde mit Winfried, einem befreundeten Modelbahner, eine Urform für den Resinguß erstellt. Mit dieser konnten Teile für die Mulden erstellt werden. Diese Muldenbausätze waren die ersten Teile unter CRR – Modelle.

Für den Einsatz auf der Westlippischen Eisenbahn entstanden 2 Serien von Fd Wagen mit zusammen 27 Fahrzeugen.

Rechts ein Wagen der 2. Serie von 2015, links ein Wagen von 1996
Das war das Ziel
Fd und Omi im neuen Hillenberg, 2024 (Foto: Plogmaker)

Fa Vorläufer

Mitte der 1980er Jahre wurden neue Verträge mit den Zementwerken für die Belieferung mit Kalksteinen geschlossen. Hierfür wurde eine neue, dritte Generation Steinwagen entwickelt und beschafft. Im Vorlauf zu diesen Wagen waren ein paar Jahre Leihwagen von OnRail auf der WLE im Einsatz.

Fa Leihwagen in der Hauptwerkstatt, März 1988 (Foto: Riegel)

Quellen

Sammlung Christoph Riegel

Glasers Analen 11-1950, Adams, Eine neuartige Schüttgutbeförderung

Verkehr und Technik 1950, Heft 11, Seite 343ff, F. Gotschlich, Neuartiger Schüttgüter Verkehr

Verkehr & Technik 1964, Heft 5, S. 51ff, W. Pfefferkorn, Entwicklung des Kalksteinverkehrs

Krause, Risse, Personen- und Güterwagen der WLE, DGEG Medien

Archiv WLE in Soest und Lippstadt